Zappelig, unkonzentriert und verhaltensauffällig – so kennen Lehrer, Eltern und Mitschüler ihren „Zappelphilipp“ in der Klasse. Aber nicht nur in der Schule sondern auch privat kann eine ADHS-Erkrankung für den kleinen Patienten und seine Mitmenschen zur Belastung werden. Um dem jungen ADHS-Patienten den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen, kommt heute eine multimodale Therapie zur Behandlung von ADHS zum Einsatz. Medikamente wie Equasym retard mit dem Wirkstoff Methylphenidat spielen eine wichtige Rolle im Therapiekonzept.
Wirkstoff Methylphenidat: Was steckt dahinter?
Der Wirkstoff Methylphenidat kommt seit mehr als 40 Jahren als Mittel der Wahl zur Behandlung von ADHS zur Anwendung. Der Wirkstoff mit der Amphetamin-ähnlichen Wirkung führt bei gesunden Menschen zu einem aufgeputschten Zustand, während er bei ADHS-Patienten eine ausgleichende Wirkung entfaltet.
Amphetamin und seine Derivate haben eine kurze Wirkdauer von wenigen Stunden. Deshalb wurden in den letzten Jahren zahlreiche Präparate mit einer verlängerten Wirkstofffreisetzung entwickelt. Eines davon ist Equasym retard: Das Arzneimittel mit einer mittleren Wirkdauer von ungefähr acht Stunden ist für die Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren zugelassen.
Wirkprinzip / Pharmakologie: Was passiert im Körper?
Bei der Reizverarbeitung im Gehirn spielen Neurotransmitter eine wichtige Rolle. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die bei ADHS-Patienten in den für die Reizverarbeitung verantwortlichen Teilen des Gehirns auffällig niedrigen Konzentrationen bestimmter Botenstoffe für die Ausprägung der Erkrankung verantwortlich sind. Die Konzentrationen der Neurotransmitter auf ein normales Maß anzuheben, ist das Ziel der medikamentösen ADHS-Therapie mit Amphetamin-Derivaten und wirkungsverwandten Wirkstoffen.
Bei gesunden Menschen können die Produkte aufputschend wirken und zur Abhängigkeit führen. Demgegenüber erhöhen sie bei ADHS-Patienten die Aufmerksamkeitsspanne und verbessern die Konzentrationsfähigkeit. Das Ausmaß der Impulsivität wird zugleich reduziert. Aufgrund der unspezifischen Wirkung auf verschiedene Neurotransmitter, kann es neben der gewünschten Wirkung auch zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen.
Anwendung: Wann und wie sollte Equasym retard eingenommen werden?
Der Wirkstoff Methylphenidat erreicht im Normalzustand eine Wirkdauer von etwa vier Stunden. Für eine ADHS-Therapie ist das ungünstig, denn dann müsste das Medikament erneut eingenommen werden. Deshalb wurden retardierte Arzneimittel entwickelt. Für eine einfache Anwendung werden nicht-retardierte und retardierte Formen des Wirkstoffs in einer Kapsel kombiniert. Beim Equasym retard liegen 30 Prozent des Wirkstoffs nicht-retardiert und 70 Prozent retardiert vor.
Das Medikament sollte morgens zum Frühstück eingenommen werden. Am besten ist es, wenn ein festes Frühstück mit Brot oder Müsli gegessen wird, um eine gleichbleibende Freisetzung des Wirkstoffs aus der Kapsel zu garantieren. Die Wirkdauer nach der Einnahme am Morgen liegt bei etwa acht Stunden und deckt damit einen Schultag zuverlässig ab. Eine Anwendung am Nachmittag oder Abend ist wegen potentieller Nebenwirkungen nicht empfehlenswert.
Nebenwirkungen: Welche unerwünschten Wirkungen treten auf?
Um eine umfassende Kosten-Nutzen-Bewertung abzusichern, ist die Anwendung von Equasym retard stark reglementiert. Das Medikament darf grundsätzlich nur als Teil einer multimodalen Therapie, nach einer umfassenden Diagnostik und bei strenger Indikationsstellung zum Einsatz kommen. Der Wirkstoff Methylphenidat kann zahlreiche Nebenwirkungen verursachen.
Einige dieser unerwünschten Wirkungen sind schwerwiegend und können den Abbruch der Behandlung notwendig machen. Dazu gehören zum Beispiel:
- erhöhte Suizidalität mit verstärkter Selbstmordneigung und möglichem Selbstmordversuch
- schwere Störungen des Herz-Kreislauf-Systems mit Symptomen wie Herzklopfen, Herzrasen (Tachykardie), Herzrhythmusstörungen sowie Bluthochdruckspitzen, Herzinfarkt und Schlaganfall
- starke Hautveränderungen mit großflächigen Schwellungen und Entzündungen (Quincke-Ödem)
Häufig oder zum Teil sehr häufig treten die folgenden unerwünschten Wirkungen auf. Obwohl sie auf den ersten Blick nicht als sehr gefährlich erscheinen, machen sie dennoch eine regelmäßige Kontrolle erforderlich:
- Appetitlosigkeit mit vermindertem Größenwachstum und Gewichtszunahme, die unter Umständen sogar nach Behandlungsende anhalten
- Zustände der Verwirrung bis hin zu Halluzinationen sowie Manien und Psychosen
- psychische Erkrankungen wie Depression, Reizbarkeit, Aggressionen und emotionale Instabilität
- belastende Störungen wie Schwindel, Hautkribbeln (Ameisenlaufen) und Muskelzuckungen (Tics)
- Magen-Darm-Störungen mit Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung
- nächtliche Ruhelosigkeit und Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit
- Spannungskopfschmerzen und Sehstörungen
Darüber hinaus kann es bei der Einnahme von Equasym retard in seltenen Fällen zu Veränderungen im Blutbild und zu anderen schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen. Wenn unerklärliche Beschwerden auftreten, so sollten Patienten oder deren Eltern baldmöglichst ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und die Medikation dort erläutern.
Gegenanzeigen: Wann darf man Equasym retard nicht einnehmen?
Genaue Informationen zu allen Vorerkrankungen und anderen, zeitgleich eingenommenen Medikamenten müssen dem Arzt vorliegen, um Risiko und Nutzen der Einnahme von Equasym retard zu bewerten. Zahlreiche Erkrankungen, Stoffwechselstörungen oder andere Voraussetzungen können dazu führen, dass Equasym retard nicht eingenommen werden darf. Die Anwendung ist zum Beispiel kontraindiziert bei:
- Hyperthyreose: Überfunktion der Schilddrüse
- psychische Erkrankungen wie Psychosen oder Depressionen, insbesondere, wenn sie medikamentös behandelt werden
- Suchterkrankungen aufgrund des Abhängigkeitspotentials
- Glaukom: eine Druckveränderung im Auge
- Phäochromozytome: Tumorbildung im Nebennierenmark
Equasym retard ist für Patienten mit Gluten-Intoleranz geeignet. Weil eine Schwangerschaft ebenso zu den Kontraindikationen zählt, ist bei Patientinnen im gebärfähigen Alter auf eine sichere Schwangerschaftsverhütung zu achten. Es liegen keine gesicherten Daten zur Behandlung von ADHS mit Equasym retard während der Schwangerschaft vor.
Wechselwirkungen: Mit welchen Medikamenten oder Lebensmitteln verträgt sich Equasym retard nicht?
Bei der gleichzeitigen Einnahme verschiedener Arzneimittel kann es zu Wechselwirkungen kommen. Sie können die Wirksamkeit stark beeinflussen. Dies gilt auch für einige Lebensmittel und in jedem Fall für Alkohol. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Equasym retard gleichzeitig oder zeitnah mit den folgenden Medikamenten eingenommen wird:
- MAO-Hemmer – keine zeitgleiche Einnahme (mindestens 14 Tage Pause zwingend notwendig)
- Antikoagulantien – Blutgerinnungshemmer vom Cumarintyp
- Antiepileptika – Arzneimittel gegen Epilepsie
- psychotherapeutische Arzneimittel – Neuroleptika und trizyklische Antidepressiva
- Blutdrucksenker (Amantadin und Guanethidin) – reduzierte Wirkung der Blutdrucksenkung
Besonders bei den Antikoagulantien, Antiepileptika, Neuroleptika und trizyklischen Antidepressiva kann eine Dosisanpassung erforderlich sein, weil es zu einer Verstärkung von deren Wirkung durch Methylphenidat kommen kann. Dies gilt auch für einige freiverkäufliche Arzneimittel wie zum Beispiel für Antazida gegen Sodbrennen. Sie können die Freisetzung von Methylphenidat beschleunigen und so die Wirkdauer verkürzen. Deshalb muss jede Einnahme vorab mit dem Arzt oder Apotheker abgeklärt werden.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amphetamin#Isomere
https://www.adhspedia.de/wiki/Medikamente
http://flexikon.doccheck.com/de/Methylphenidat
https://de.wikipedia.org/wiki/Methylphenidat
https://medikamio.com/de-de/medikamente/equasym-retard-30-mg-hartkapseln-mit-veraenderter-wirkstofffreisetzung/pil
https://www.apotheken-umschau.de/Medikamente/Beipackzettel/Equasym-Retard-30mg-3806287.html