Auffällig, anders, anstrengend – so beschreiben Eltern, Freunde und Lehrer häufig Kinder mit AHDS. Ihre Impulsivität, die Konzentrationsschwierigkeiten und die oft begleitend auftretende Hyperaktivität machen den Alltag zur Herausforderung. Das gilt insbesondere in der Schule, wo nicht nur das erkrankte Kind, sondern auch die Mitschüler unter den Symptomen leiden. Weil ein guter Schulabschluss unverzichtbar für das spätere Leben ist, sollte ADHS bei Kindern und Jugendlichen therapiert werden. Die Behandlung besteht aus verschiedenen Säulen, wobei die medikamentöse Therapie nur ein Teil des Gesamtkonzeptes sein darf. Seit langem bewährt hat sich das Medikament Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidat.
Wirkstoff Methylphenidat: Was steckt dahinter?
Der Wirkstoff Methylphenidat und das Fertigarzneimittel Ritalin waren zwar nicht die ersten Arzneimittel gegen ADHS, aber die erfolgsreichsten. Entwickelt in den 1940er Jahren kam das nach der Ehefrau des Entwicklers Panizzon benannte Produkt „Rita-lin“ in den 1950er Jahren auf den Markt. Fast zwei Jahrzehnte lang war es freiverkäuflich und wurde vor allem als Aufputschmittel und Wachmacher eingesetzt. Anfang der 1970er Jahre wurde es dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt. Erst in den 1990ern begann die häufige Nutzung als ADHS-Medikament. Heute kommt Methylphenidat nur noch nach genauer Diagnosestellung und im Rahmen einer multimodalen Therapie zur Behandlung von ADHS zum Einsatz. Ein zweites Anwendungsgebiet ist die sehr seltene Erkrankung Narkolepsie – die Schlafkrankheit.
Wirkprinzip / Pharmakologie: Was passiert im Körper?
Im Wachzustand ist unser Gehirn nahezu ständig am Arbeiten: Über Augen, Ohren, Nase und Druckrezeptoren aufgenommene Reize müssen verarbeitet werden. Das Gehirn wechselt dabei stetig zwischen Entspannungs- und Aufmerksamkeitsphasen ab. Entscheidend für die Reizverarbeitung sind die körpereigenen Botenstoffe im zentralen Nervensystem. Insbesondere ihre Konzentration an den Schaltstellen des Gehirns spielt eine wichtige Rolle für die Reizverarbeitung.
Bei ADHS-Patienten liegen die Levels dieser Botenstoffe in bestimmten Teilen des Gehirns deutlich niedriger als bei gesunden Menschen. Die medikamentöse ADHS-Therapie kann diese Konzentrationen der Neurotransmitter beeinflussen und anheben. Dadurch erreichen die Mengen der Botenstoffe bei ADHS-Patienten normale Maße und die Reizverarbeitung wird verbessert. Das äußert sich in einer erhöhten Aufmerksamkeitsspanne, weniger Impulsivität und einer besseren Konzentrationsfähigkeit. Die Bandbreite zwischen einer therapeutischen Erhöhung und einer aufputschenden Wirkung ist eng – und die Ursache für das hohe Abhängigkeitspotential. Deshalb muss die Therapie mit Methylphenidat immer eng überwacht und regelmäßig neu abgewogen werden, ob sie noch notwendig ist.
Anwendung: Wann und wie sollte Ritalin eingenommen werden?
Ritalin gibt es in drei verschiedenen Varianten: Als Ritalin mit kurzer Wirkdauer, als Ritalin LA mit Retard-Wirkung und als Ritalin adult, was Ritalin LA entspricht, aber für die Anwendung bei Erwachsenen zugelassen ist.
Bei Ritalin mit kurzer Wirkdauer ist eine Aufteilung der Gesamtdosen in zwei Teildosen sinnvoll. Die Wirkdauer beträgt in etwa vier Stunden, sodass mit der Einnahme beim Frühstück die Zeit bis zum Mittagessen gut abgedeckt ist. Am Nachmittag kann dann durch eine zweite Gabe erneut eine intensive Wirkphase erreicht werden. Im Alltag haben sich trotzdem die später entwickelten Retard-Produkte bewährt. Sie enthalten zur Hälfte sofort verfügbares und in der anderen Hälfte retardiertes Methylphenidat, welches erst nach gut vier Stunden freigesetzt wird. Deshalb können Ritalin LA und Ritalin adult einmal täglich am Morgen eingenommen werden und wirken dennoch bin in den späten Nachmittag hinein. Auf eine Einnahme am Abend sollte man besser verzichten, weil die belebende Wirkung zur Schlaflosigkeit führen würde.
Kinder und Jugendliche, welche die Kapseln nicht im Ganzen schlucken können, können den Inhalt auf einen Löffel streuen und ohne Kapsel einnehmen. Auch bei der retardierten Variante beeinflusst das nicht die Wirkdauer.
Nebenwirkungen: Welche unerwünschten Wirkungen treten auf?
Ritalin darf nicht ohne Grund nur nach umfassender Diagnostik, als Teil einer multimodalen Therapie und nur unter strenger Indikationsstellung angewendet werden. Der Wirkstoff Methylphenidat kann zahlreiche, zum Teil auch schwerwiegende und lebensbedrohliche Nebenwirkungen hervorrufen. Zu den häufig auftretenden, gefährlichen Nebenwirkungen gehören zum Beispiel:
- Herz-Kreislauf-Störungen wie Herzrasen, Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen sowie Bluthochdruck und Herzinfarkt
- Selbstmordneigung und Selbstmordversuche
- schwere Hautentzündungen mit großflächigen Schwellungen bis hin zum Quincke-Ödem
Ebenfalls sehr oft kommt es zu den folgenden unerwünschten Wirkungen, die zwar im ersten Schritt nicht lebensbedrohlich sind, aber eine regelmäßige Kontrolle erfordern:
- Appetitlosigkeit mit Auswirkungen auf Größenwachstum und Gewicht
- Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit
- Bewegungsstörungen wie Schwindel, Ameisenlaufen und Muskelzuckungen
- psychische Störungen wie Depression, Aggressionen und emotionale Labilität
- Magen-Darm-Störungen mit Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung
- Spannungskopfschmerzen und Sehstörungen
- Verwirrung bis hin zu Halluzinationen, Manien und Psychosen
Bei der Einnahme von Ritalin kann es in seltenen Fällen zu Veränderungen im Blutbild und anderen schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen. Deshalb sollten Eltern und Patienten bei unerklärlichen Beschwerden immer zeitnah ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Gegenanzeigen: Wann darf man Ritalin nicht einnehmen?
Damit der Arzt die Anwendung von Ritalin angemessen bewerten kann, muss er unbedingt über alle Vorerkrankungen und Medikamente informiert werden, welche der Patient einnimmt. Bei einigen Erkrankungen ist eine Einnahme von Ritalin kontraindiziert. Dazu gehören zum Beispiel:
- Glaukom – eine Druckveränderung im Auge
- Suchterkrankungen in der Vergangenheit, wegen des hohen Abhängigkeitspotentials
- Hyperthyreose – Überfunktion der Schilddrüse
- Psychosen und zahlreiche psychische Erkrankungen insbesondere, wenn sie medikamentös behandelt werden
- Phäochromozytome – Tumorbildung im Nebennierenmark
- Gluten-Intoleranz, weil Ritalin Weizenstärke enthält
Eine zuverlässige Verhütung bei Patientinnen im gebärfähigen Alter wird empfohlen, weil gesicherte Daten zur Behandlung von ADHS während der Schwangerschaft nicht vorliegen.
Wechselwirkungen: Mit welchen Medikamenten oder Lebensmitteln verträgt sich Ritalin nicht?
Wechselwirkungen sind ein weit verbreitetes Problem bei der Anwendung mehrerer Arzneimittel, können aber auch mit Lebensmitteln auftreten. Im Hinblick auf andere Medikamente muss besondere Vorsicht angewendet werden bei der Einnahme von
- MAO-Hemmern – keine zeitgleiche Einnahme, mindestens 14 Tage Pause dazwischen
- Blutdrucksenkern – Reduktion der blutdrucksenkenden Wirkung möglich
- Blutgerinnungshemmern vom Cumarintyp (Antikoagulantien)
- Arzneimitteln gegen Epilepsie (Antiepileptika)
- psychotherapeutische Arzneimittel (Neuroleptika und trizyklische Antidepressiva)
Bei den Antikoagulatien, Antiepileptika, Neuroleptika und trizyklischen Antidepressiva kann es zu einer Verstärkung der Wirkung kommen. Die Dosis muss reduziert werden.
Auch mit freiverkäuflichen Arzneimitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen. Deshalb sollte jede Einnahme vorab mit Arzt oder Apotheker abgeklärt werden. Ein wichtiges Beispiel sind Antazida gegen Sodbrennen: Sie können zu einer rascheren Freisetzung der retardierten Form des Ritalins führen und verursachen damit einen ungeplanten, aufputschenden Wirkanstieg. Auf Alkohol sollten Ritalin-Patienten während der Einnahme komplett verzichten.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amphetamin#Isomere
https://www.adhspedia.de/wiki/Medikamente
http://flexikon.doccheck.com/de/Methylphenidat
https://www.adhspedia.de/wiki/Ritalin
https://de.wikipedia.org/wiki/Methylphenidat