Konzentrationsstörungen, Zappeligkeit und Impulsivität sind typische Probleme bei Kindern mit ADHS-Erkrankung. Der Alltag wird zur Herausforderung – nicht nur für das Kind, sondern auch für die ganze Familie, die Lehrer und Freunde. Mithilfe der medikamentösen Therapie kann betroffenen Kindern ein normales Heranwachsen und der bestmögliche Start ins spätere Leben ermöglicht werden. Wenn der Goldstandard Methylphenidat in Präparaten wie Ritalin oder Medikinet nicht ausreicht, kommen Amphetamin-Derivate wie Dexamfetamin im Medikament Attentin zum Einsatz.
Wirkstoff Dexamfetamin – was steckt dahinter?
Hinter dem Wirkstoffnamen Dexamfetamin versteckt sich reines, „rechtsdrehendes“ Amphetamin. Der Wirkstoff Amphetamin (auch Amfetamin) gehört zu den Weckaminen – sprich zu den Aminen mit einer aufweckenden Wirkung. Der Name „Weckamine“ weist demnach schon auf die Wirkung hin: Amphetamin wirkt aufputschend. Deshalb ist es schon seit vielen Jahren sehr beliebt als Droge und Dopingmittel. Präparate wie Attentin unterliegen deshalb dem Betäubungsmittelgesetz, was bedeutet, dass der unerlaubte Handel und Besitz strafbar ist.
Seit mehr als 130 Jahren wird Amphetamin chemisch hergestellt. Lange Zeit kam es vor allem als Aufputsch- und Appetitzügler zum Einsatz. Heute ist der Wirkstoff Dexamfetamin nur noch zur Behandlung von AD(H)S und Narkolepsie – der Schlafkrankheit – zugelassen. Attentin ist das einzige Fertigarzneimittel mit diesem Wirkstoff.
Das Medikament darf unter strengen Einschränkungen nur bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren angewendet werden. Zu den Bedingungen zählt die vorherige, nicht erfolgreiche Anwendung von Methylphenidat und ein umfassendes Behandlungsprogramm, welches neben der Medikation auch pädagogische und psychologische Maßnahmen umfasst.
Wirkprinzip / Pharmakologie: Was passiert im Körper?
Bei ADHS-Patienten sind die Werte einiger Botenstoffe im Gehirn deutlich abgesenkt, was die Reizverarbeitung erschwert. Amphetamin wirkt als sogenanntes Sympathomimetikum stimulierend auf das Gehirn, indem es die Levels der Botenstoffe anhebt. Für gesunde Menschen wirkt Amphetamin deshalb aufputschend und wachmachend. Bei den ADHS-Patienten jedoch werden die Konzentrationen der Botenstoffe auf das normale Maß angehoben. Das versetzt sie in die Lage, Reize adäquat zu verarbeiten.
Das Arzneimittel Attentin verbessert also bei Kindern und Jugendlichen mit AD(H)S die Aktivität bestimmter Gehirnbereiche, die vorher nicht aktiv genug waren. Dadurch erhöht sich die Aufmerksamkeit und die Konzentrationsfähigkeit, während hyperaktives, impulsives Verhalten verringert wird.
Anwendung: Wann und wie sollte Attentin eingenommen werden?
Das Arzneimittel Attentin wird in Form von Tabletten eingenommen. Da Dexamfetamin eine eher kurze Wirkdauer hat, empfehlen viele Ärzte die Einnahme am Morgen, um am Vormittag während der Schulzeit die bestmögliche Wirkung zu erhalten. Am besten wird die vom Arzt verordnete Dosis zum oder direkt nach dem Frühstück eingenommen. Wichtig ist, dass die tägliche Einnahme immer etwa zu gleichen Tageszeit erfolgt. Falls notwendig lassen sich die Tabletten mithilfe der Bruchkerben teilen, um sie leichter schlucken zu können. Die Teilungskerben erlauben jedoch keine genaue Dosierung in halbe Tabletten.
Während einer Behandlung mit Attentin ist eine regelmäßige ärztliche Überwachung des Patienten unerlässlich. Faktoren wie der Appetit, die Größe und das Gewicht, Puls und Blutdruck sowie Anzeichen psychischer oder motorischer Probleme müssen ständig beobachtet und regelmäßig durch den Arzt kontrolliert werden. Außerdem werden bei Attentin regelmäßige Einnahme-Pausen empfohlen. Während der Ferien zum Beispiel kann der Arzt ein Aussetzen der Einnahme verordnen, um die Notwendigkeit der weiteren Einnahme zu prüfen und dem Körper Zeit zur Erholung zu geben.
Kommt es während der Einnahme zu Fehlern wie zum Beispiel zur Einnahme der doppelten Dosis, so ist sofortige ärztliche Hilfe unerlässlich. Das Medikament kann starke, unerwünschte Wirkungen aufweisen.
Nebenwirkungen: Welche unerwünschten Wirkungen treten auf?
Viele Nebenwirkungen von Attentin sind unangenehm und belastend, aber ungefährlich. Je nach Schwere der unerwünschten Wirkungen kann allerdings auch ein Abbruch der Behandlung erforderlich werden. In keinem Fall sollte die Einnahme jedoch selbständig abgebrochen werden. Mehr als 10 Prozent aller Patienten, die Attentin einnehmen, leiden unter Appetitlosigkeit und infolgedessen unter einer verringerten Gewichts- und Größenzunahme.
Bei längerer Anwendung zeigen sich diese Auswirkungen auf das Wachstum oft deutlich. Auch Schlaflosigkeit und Nervosität sind sehr häufig auftretende Nebenwirkungen. Bei 1 bis 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen, sprich recht häufig, kommt es zu den folgenden Nebenwirkungen:
- Herzprobleme wie Herzrasen, Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck
- Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen
- motorische Störungen wie Schwindel und Bewegungsstörungen
- Schmerzen, vor allem Gelenk- und Kopfschmerzen
- psychische Beschwerden wie Hyperaktivität, Aggressivität, Ängstlichkeit und depressive Verstimmungen
Es gibt noch zahlreiche, weitere, aber seltener auftretende Nebenwirkungen. Informationen dazu bietet die Packungsbeilage von Attentin. Sollte es während der Einnahme zu körperlichen oder seelischen Beschwerden aller Art kommen, sollte immer der Arzt informiert werden, um einen Zusammenhang zu klären und die weitere Einnahme zu überdenken.
Gegenanzeigen: Wann darf man Attentin nicht einnehmen?
Es gibt viele Vorerkrankungen, die eine Anwendung von Attentin unmöglich machen. Deshalb müssen Eltern den behandelnden Arzt über jede körperliche oder seelische Störung oder Erkrankung informieren:
- Allergien und Unverträglichkeiten gegenüber Arzneimitteln, Füllstoffen aber auch Lebensmitteln
- Stoffwechselkrankheiten (auch in der Familie)
- Vorerkrankungen der Leber, Niere oder des Herzens
- psychische Probleme wie depressive Phasen
Bei Mädchen im Teenageralter muss unbedingt zuverlässig verhütet werden, weil Attentin schwere Folgen für das ungeborene Leben haben kann.
Wechselwirkungen: Mit welchen Medikamenten oder Lebensmitteln verträgt sich Attentin nicht?
Viele Arzneimittel dürfen nicht zeitgleich oder generell am gleichen Tag wie Attentin eingenommen werden. Es kann zu schweren Wechselwirkungen kommen. Insbesondere gilt das für Arzneimittel zur Behandlung von
- Depressionen
- Epilepsie
- hohem Blutdruck
- Schmerzen
- Blutgerinnungsstörungen
Die Liste der Arzneimittel mit Wechselwirkungen ist umfangreich, weshalb jede Medikamentengabe vorab mit dem Arzt oder Apotheker abgeklärt werden muss. Dass während der Einnahme auf Alkohol verzichtet werden muss, dürfte bei den oft sehr jungen Patienten kein Problem darstellen. Bei Jugendlichen muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden. Auf den Genuss von Fruchtsaft und Obst zum Zeitpunkt der Einnahme sollten die jungen Patienten verzichten, weil die Aufnahme von Dexamfetamin gestört werden kann.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amphetamin#Isomere
https://www.medice.de/produkte/adhs-kinder-und-jugendliche/attentin
https://www.adhspedia.de/wiki/Medikamente